In einem vorangegangenen Beitrag erwähnte ich die Omegabrücke in Griesheim. Die Bilder zu diesem Beitrag sind im Sommer 2023 entstanden. Zur Illustration habe ich heute (im August 2024) nach einem Stadtplan gesucht, der die damalige Situation noch zeigt. Da das ein geklauter Screenshot ist, verrate ich nur, dass es von einem renommierten deutschen Verlag für Kartenmaterial ist. Wir beamen uns nun zurück in den Sommer 2023:
Erbau im Jahr 1973 und komplett saniert im Jahr 2015 steht sie am Bahnhof in Griesheim, die Buslinie 59 fährt darüber und weiter bis zu meiner Wohnung. Insofern bin ich betroffen, als Anfang Juli plötzlich die Omegabrücke für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen gesperrt wird.
Das wird von der lokalen Presse weitestgehend ignoriert, die Autofahrer sind ja nicht betroffen. Etwa um die gleiche Zeit sperrt die DB einen der beiden Bahnsteige, um das Dach der Treppe zur Fußgängerunterführung zu erneuert. Außerdem finden Fahrleitungsarbeiten statt.
Ich gewöhne mich daran, für meine zumeist samstags stattfindenden Einkaufsfahrten ins Gallusviertel mehr Zeit einzuplanen. Auf dieser Relation bin ich abhängig von der Buslinie 59. Die darf ja nicht mehr über die Bücke, sie fährt eine Umleitungsstrecke über den Bahnübergang Elektronstraße. Was das bedeutet, wird erst richtig deutlich, als die Fahrleitungsarbeiten abgeschlossen sind und die S-Bahn wieder ihren normalen Takt fährt. Zwei Linien, die jeweils alle 15 Minuten verkehren, bedeuten acht Zugfahrten pro Stunde.
Dazu kommen noch ein paar Güterzüge, die Fahrten ins Ausbesserungswerk und außerdem stellen die Eisenbahnunternehmen Vias und Start Züge in Griesheim ab. Es gibt also genug Gelegenheiten, vor der geschlossenen Schranke zu warten.
Die Stadt Frankfurt war schnell und hat auf der neuen Busstrecke ein Halteverbot eingerichtet, damit der Fahrplan wenigstens einigermaßen eingehalten werden kann.
Sicher kann man nicht erwarten, dass das sofort funktioniert, nach ein paar Tagen sollte es sich eingespielt haben. Ist ja auch gar nicht das Thema. Nach einigen Minuten bilden sich regelmäßig ordentliche Staus auf beiden Seiten. Wenn die S-Bahn dann endlich kommt, warten alle gespannt, ob es weitergeht oder nicht. Manchmal kommt noch eine zweite S-Bahn oder einfach nur eine Rangierlok.
Endlich ist das Warten vorbei. Die Schranke ist wieder geöffnet. Jetzt gilt es, auf die andere Seite zu kommen, bevor das gelbe Licht wieder leuchtet und sich kurz danach die Schlagbäume wieder senken. Ohne Hupen geht das gar nicht.
Die längste Wartezeit an dieser Stelle waren für mich einmal 20 Minuten, in denen die Schranke dreimal runter und wieder hoch gegangen ist, bevor der Bus durch das Nadelöhr ging. Ich frage mich, wie das von den anderen Bewohnern von Griesheim aufgenommen wird. Ich kenne aber kaum einen Menschen hier. Doch es ist egal, wo man lebt. Irgendwo gibt es immer einen Informations-Umschlagplatz. Das kann die örtliche Bäckerei, der Metzger im Stadtteil oder eine Kneipe sein.
Dass sich hier ein Informations-Umschlagplatz befindet, habe ich schon wenige Wochen nach meinem Einzug in die Wohnung bemerkt. Ich habe die beiden örtlichen Kneipen auf Brauchbarkeit getestet. In der kleinen Kneipe habe ich außerdem erfahren, dass mein Nachbar aus dem Erdgeschoss gestorben ist. Das war im Haus noch gar nicht bekannt. Jetzt gehe ich in die kleine Kneipe, um am Tresen zu erfahren, wie die alt eingesessenen Griesheimer über die Brückensperrung denken. Aber da die Pkw-Besitzer nicht betroffen sind, finden keine emotionalen Gespräche statt.
Nach einigen Wochen trifft die Stadt aus heiterem Himmel eine Maßnahme, die mit sofortiger Wirkung die Staus am Bahnübergang auflöst. Alle Verkehrsteilnehmer haben immer freie Fahrt und müssen nicht mehr warten. Alle? Fast alle. Jedenfalls alle Straßenverkehrsteilnehmer, über den Schienenverkehr sprechen wir jetzt nicht. Wegen akuter Einsturzgefahr wird die Omegabrücke komplett gesperrt, die Bahn stellt den Zugverkehr in Griesheim ein.
Die Brückensperrung ist natürlich sofort ein Thema am Biertresen. Jetzt plötzlich ist die Zahl der Betroffenen nach oben geschnellt. Mit persönlich ist die Sperrung eigentlich egal, weil ich durch die Fußgängerunterführung bequem auf die andere Seite komme, für die Busse verschlechtert sich nichts. Am Tresen erfahre ich jedoch auch, dass diese Unterführung im kommenden Jahr für Sanierungsarbeiten gesperrt werden soll. Toll. Diese Sanierungsarbeiten sind seit vielen Jahren geplant, nächstes Jahr sollen sie umgesetzt werden.
Für mich ist es der Öffi-Supergau. Es fährt keine S-Bahn mehr. Mein Arbeitsweg verlängert sich um eine halbe Stunde pro Richtung, oft noch mehr. Bis ich zum nächstgelegenen Bahnhof mit S-Bahnverkehr komme, muss ich 20 Minuten mit dem Bus oder mit dem Fahrrad fahren. Das betrifft mein Leben wirklich. Ich reduziere die Tage im Büro so weit es geht, das Home-Office bekommt mehr Gewicht. Was die meisten Arbeitnehmer während Corona gelernt haben, nämlich die Arbeit im Home-Office, bekommt für mich in diesen Tagen Gewicht. Ich schätze es sehr, nicht mehr ins Büro pendeln zu müssen. Bei den verbliebenen Tagen im Büro nervt mich die Fahrerei nicht mehr so sehr, sie fällt nicht mehr so ins Gewicht. Es ist eher die Freude darauf, mal wieder persönlichen Kontakt zu den Kollegen zu pflegen. Der fehlt mir dann im Home-Office schon. Auch wenn der Kaffee zu Hause besser ist, trinke ich dann gerne mit den anderen zusammen zu viele Tassen, die aus billigen Bohnen gebraut sind.