In vier Jahren verändert sich die Welt

Im Frühjahr 2019 habe ich Frankfurt verlassen, um die Welt zu umsegeln. Im Herbst 2022 bin ich wieder nach Frankfurt zurückgekehrt. Die Pandemie hat mich an der Weltumsegelung gehindert, es hat nur für die „Atlantikrunde“ gereicht, einmal in die Karibik und zurück. Dennoch war ich fast vier Jahre nicht in Frankfurt, so lange wie nie zuvor in meinem Leben.

Griesheimer Mainufer vor der Frankfurter Skyline. Die Aufnahme habe ich Monate vor meinem Umzug nach Griesheim von der Griesheimer Schleuse aus gemacht.

Die Welt hat sich über 1000 Mal um sich gedreht, eine Pandemie ist gekommen und vergangen, es findet wieder ein Krieg in Europa statt. Die Menschen sind rücksichtsloser geworden. Das jedenfalls ist mein Eindruck. Neue Sitten und Gebräuche haben im Alltag Einzug gehalten.

Am Griesheimer Ufer kann man schön Spazieren gehen.

Bevor ich den Bogen zu den neuen Sitten schlage, möchte ich noch ein paar Bilder aus meinem neuen Stadtteil zeigen. Schließlich habe ich das Blog mit „Leben in Frankfurt am Main“ betitelt.


Ich wohne im „alten“ Griesheimer Ortsteil, der zwischen der Eisenbahnstrecke, einem Bahnbetriebswerk und dem Main liegt. Wenn die Autobahn bei östlichen Windrichtungen nicht so laut wäre (leider hat die A5 an dieser Stelle acht Spuren), wäre es eine sehr ruhige Wohngegend. Zum Glück haben wir meist westlichen Wind, dann ist sie kaum zu hören.

Frankfurt, Griesheim ist eingekreist
Alt Griesheim

Da ich viel im Home-Office arbeite, nutze ich meine Mittagspause gerne für einen Spaziergang am Main. Ich empfinde das als Privileg, es gibt nicht viele Orte in Frankfurt, von denen aus man so schnell am Mainufer ist.

Nutria schwimmt im Main

Kaum schaue ich mich um, sehe ich eine Nutria in voller Geschwindigkeit vorbei schwimmen. Man kann sie öfter sehen, sie wohnt hier in der Gegend. Außerdem ist sie keinesfalls menschenscheu.

Nutria schwimmt ans Ufer

Es macht Spaß, dem Tier zuzusehen. Angeblich soll das Fleisch sehr schmackhaft sein. Eine entsprechende Grillbude ist mir noch nicht begegnet. Im Wasser sind sie sehr elegant unterwegs, an Land würde ich es eher plump nennen. Aber keine Probleme mit Menschen, die Jagd sollte nicht so schwer sein.

An Land nicht mehr ganz so elegant, aber beeindruckend.

Es ist der Stadtteil Alt-Griesheim und dementsprechend stehen hier überwiegend mehr als 100 Jahre alte Häuser. Die Weltkriegsbomben, die das Bahnbetriebswerk und das ehemalige chemische Werk verfehlt haben, sorgten für Baulücken, in denen sich in der Nachkriegszeit modernere Gebäude breit gemacht haben. Ein schönes Gemisch, lebendige Architektur.

Ecke Erzbergerstraße/ August-Bebel-Straße

Besonders gefällt mir die Luxuswohnanlage auf dem nahen Bunker. Diese Art der Bunkernutzung ist zumindest in Frankfurt einmalig. Ich wohne gerne hier. Für Frankfurter Verhältnisse ist die Miete noch einigermaßen günstig. Dementsprechend wohnen hier viele Menschen mit wenig Einkommen. Das macht sich bei den Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants bemerkbar – es gibt nur einen (kleinen) Rewe, aber die Discounter Lidl, Netto und Penny haben Dependancen. Es gibt nur ein Speiserestaurant (Adria, kroatisch) im Vereinsheim eines Sportvereins, aber es gibt mindestens sechs Döner-Pizza-und-Burger-Buden und zwei italienische Pizzerien. Etwas einseitig. Die traditionelle italienische Eisdiele wiederum findet meinen Gefallen.

Rechts im Bild der Bunker. Darauf gebaut ist eine Reihe Reihenhäuser. Ich finde dieses Gebäude faszinierend.

Die S-Bahn fährt von hier in vier Minuten zum Hauptbahnhof, in zehn Minuten bin ich mitten in der Innenstadt. Einerseits ist es hier ziemlich abgelegen, andererseits aber auch schön zentral.


Außerdem fährt durch meine Straße eine Buslinie. Die bringt mich zwar nur bis zur Straßenbahn, doch wenn die GdL mal wieder ihre Lokführer streiken lässt, habe ich eine Alternative. Ich sitze am Abend vor dem Fernseher und bin etwas genervt. Draußen wird dauernd gehupt. Ich blicke aus dem Fenster und sehe einen Bus, der in meine Straße einbiegen möchte, aber nicht kann. Der Busfahrer spielt ein Konzert auf seiner Hupe.

Rücksichtsloser Busfahrer hinder rücksichtslosem Autofahrer

Ich will mir das anschauen. An der Ecke, in der die Busse in meine Straße einbiegen, ist extra ein Halteverbot ausgewiesen, damit die Busse um die Ecke kommen können. Falschparker, die Busse blockieren, gibt es natürlich schon so lange, wie es Falschparker und Busse gibt. Außerdem ist Hupen immer ein schönes Ventil, auch um 23 Uhr. Ich treffe kurz nach dem zweiten Bus ein. Die Busfahrer streiten lautstark, der Fahrer des hinteren Busses ist der Meinung, dass man um die Ecke kommen kann. Sieht aus der Handyperspektive so aus, macht aber die Rechnung ohne den auf der rechten Bildseite falsch geparkten Mercedes.

Handynutzer und Im-Weg-Steher. Neuer Trend ist, an der Tür stehen zu bleiben und den anderen Fahrgästen den Weg zu blockieren.
In jeder sozialen Schicht werden die Geräte genutzt.

Das ist aber gar nicht das Thema. Ich möchte kurz auf die neuen Sitten beim Handygebrauch schauen. Schon vor meiner Abreise haben mich die Dauertelefonierer in der Straßenbahn genervt. Dass das nach meiner Rückkehr so viel schlimmer sein würde, hätte ich nicht erwartet. Ich habe gar keinen Gedanken daran verschwendet.

In jedem Alter werden die Geräte genutzt.
Zu jeder Tageszeit.
Wirklich in jedem Alter. Doch es ist selten, dass die Geräte nur zum Lesen verwendet werden.

Die Pest heißt Tiktok. Das gibt es in der Form seit August 2018. Ich habe euch den Wikipedia-Beitrag verlinkt. Somit war es noch kein Jahr auf dem Markt, als ich abgereist bin. Nervös zucken die Finger über den Bildschirm mit den Videoclips. Kaum jemand sieht die Clips bis zum Ende, nach wenigen Sekunden wird weiter gewischt. Ist ja noch kein Grund, davon genervt zu sein.

Was nervt, ist der Lautsprecher, aus dem der Ton kommt. Dazu kommen noch die zeitgleichen Telefonate anderer Fahrgäste, die heutzutage üblicherweise mit dem Lautsprecher geführt werden. Wenn 100 Menschen in der Straßenbahn sind, haben 99 von ihnen das Gerät vor der Nase. In den öffentlichen Verkehrsmitteln hat sich leider die Kakophonie des multilingualen Smartphone-Geräuschteppichs durchgesetzt. Es ist eine gewaltige qualitative Änderung in so kurzer Zeit.

Blick vom S-Bahnsteig des Westbahnhofs auf die Frankfurter Skyline

Jetzt habe ich mich genug aufgeregt. Wenn ich genervt genug bin, liebäugele ich mit der Anschaffung eines Autos. Für den Stadtverkehr. Als Ersatz für die Öffis. Ich würde damit nie zur Arbeit fahren, dort gibt es keine Parkplätze in der Nähe. Die KollegInnen konkurrieren mit den Anwohnern. Aber für die Stadt… da gibt es auch keine Parkplätze. In meiner Straße stehen die Falschparker auf beiden Seiten. Der Anzeigenhauptmeister hätte seine helle Freude. Also bleibt es nur bei dem Gedanken. Ich frage mich, wie die Fahr-Doch-Porsche-Partei noch mehr Autos in die Stadt bekommen will.


Die Künstlergruppe „Dies Irae“ (Tag des Zorns) hat dies in die Schaukästen an einigen Haltestellen gebracht. Ach ja, die Autos von heute sind auch ein Ausdruck der Rücksichtslosigkeit. In den letzten vier Jahren haben sie Adipositas entwickelt.

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