Wieder daheim in Frankfurt

Nach einer langen, langen Pause habe ich den letzten Beitrag auf meinem Reiseblog sy-sissi.de geschrieben. Das hat mir viel Spaß gemacht und mich irgendwie an meine Reise mit dem Segelboot erinnert. Deswegen habe ich mir vorgenommen, in Zukunft wieder regelmäßig zu schreiben.

Warten am Bahnhof in Griesheim. Jede zweite S1 fährt bis Wiesbaden durch. Die anderen fahren eine kürzere Strecke oder fallen einfach ersatzlos aus.

Zuerst möchte ich mit meiner Geldbörse beschäftigen. Vier Jahre Auszeit auf einem Segelboot sind betriebswirtschaftlich gesehen ein riesiger Kostenblock. Deswegen habe ich mir wieder einen Job gesucht und fange am 1. April 2023 an, bei der Firma Brainyoo in Wiesbaden zu arbeiten.

In Wahrheit ist es natürlich der 3. April, weil das der erste Montag im April ist. Dazu muss ich mit der S-Bahn von meinem Wohnort in Griesheim nach Wiesbaden pendeln. Eigentlich eine schöne Strecke – entgegen den Pendlerströmen am Morgen aus Frankfurt heraus und am Abend wieder nach Frankfurt rein. Einziger Wermutstropfen bei der Sache ist, dass die S-Bahn in Frankfurt von der Deutschen Bahn betrieben wird. Verspätungen und Zugausfälle sind also an der Tagesordnung.

Warten in Eddersheim. Dieser Bahnhof ist quasi noch im Urzustand. Ein Mensch muss die Signale vor Ort stellen und auch die Bahnschranke öffnen und schließen.

Meine übliche S-Bahn fährt um 9:16 Uhr ab. Wenn ich um ca. 9:10 Uhr am Bahnhof in Griesheim ankomme, ist oft die S-Bahn um 9:01 Uhr noch nicht gefahren. Sie fährt nicht bis Wiesbaden durch, sondern endet in Hochheim. Bei schönem Wetter steige ich trotzdem ein und warte in Eddersheim auf die eigentliche S-Bahn. Eddersheim ist wie ein Ausflug in die Vergangenheit, dort sind die Formsignale von Hand zu stellen. Außerdem ist das Ambiente schöner als in Griesheim. Allerdings ist es egal, wo man in die S-Bahn einsteigt, man weiß nie, was einen im Inneren des Fahrzeugs erwartet.

Kalt ist es draußen, gemütlich drinnen.
Leckerer Cola-Wodka-Mix in der Flasche.

Obwohl ich auch vor meiner Segelreise regelmäßig mit der S-Bahn gefahren bin, habe ich mich an Veränderungen gewöhnen müssen. Die Zahl der Obdachlosen, die die S-Bahn als Wärmestube oder Wohnung auf Zeit nutzen, hat erheblich zugenommen. Warum das so ist, erschließt sich mir nicht. Ich kann nur mutmaßen, dass es während der Corona-Pandemie zu Veränderungen kam. Zu jener Zeit war ich nicht in Deutschland. Vielfach handelt es sich um Menschen aus Osteuropa, das kann ich an der Sprache hören. Ich kann aber keine der Sprachen erkennen, ich kann Polnisch nicht von Russisch oder Ukrainisch unterscheiden. Wenn ich das Bloggen weiter durchhalte, werde ich mich diesem Thema auf jeden Fall noch einmal widmen.

Die schönere, andere Seite der Medaille – Morgenstimmung am Main in den Hochheimer Weinbergen

In Wiesbaden muss ich dann noch mit dem Bus die letzten Meter ins Büro fahren. Das ist auch noch so ein unangenehmer Teil des Arbeitsweges. Die Busse stecken im Berufsverkehr fest. Es gibt zwar Busspuren, die jedoch zu jeder möglichen Gelegenheit von Autos blockiert werden. Dann muss der Bus wieder um einen Lieferwagen kurven und kommt erst einmal nicht weiter. Zu Fuß dauert es eine halbe Stunde, dafür bin ich aber zu faul. Außerdem ist die Fahrkarte teuer genug.

Alternative zum Bus: Das ehemalige Bordfahrrad

Die Erlösung bringt die Kombination aus S-Bahn und Fahrrad. Das schützt mich zwar nicht vor den S-Bahnstörungen, das bringt mich aber schnell durch das Wiesbadener Verkehrschaos. Wenn ich dann doch noch mal ohne Fahrrad mit dem Bus zur Arbeit fahre, gibt es manchmal aber auch überraschende Gründe für die Busverspätung.

Ampel ist ausgefallen, die Polizei regelt den Verkehr

An einer großen Kreuzung (Bahnhofstraße/Rheinstraße) geht gar nichts mehr. Die Ampel ist offenbar ausgefallen und der Verkehr wird von der Polizei geregelt. Bei der Vorbeifahrt gewinne ich dann die Erkenntnis, dass die Ampel gar nicht ausgefallen ist.

Polizeischüler

In Wiesbaden befindet sich die Polizei-Hochschule Hessen. Vor meiner Abreise kannte ich sie noch als „Polizeiakademie“. Das weckte Assoziationen zu einem Film aus den 1980ern… Die angehenden Polizisten müssen natürlich auch den Ampel-Job lernen. Bringt mich 10 Minuten später ins Büro.

Warmer Damm

Die letzten Meter rollt es dann meist wieder, der Bus ist aus dem Gröbsten raus. Der „Warme Damm“ begleitet die Straße auf den letzten Metern, mein Büro liegt fast am Kurhaus.

Die letzten Meter zum Büro

Eine Fahrt mit dem Aufzug in den vierten Stock, dann bin ich am Arbeitsplatz. Während meiner Probezeit soll ich jeden Tag ins Büro kommen, danach werde ich viel Zeit im Home-Office verbringen. Denn schon nach wenigen Wochen stelle ich fest, dass mich das Pendeln ungemein nervt. Früher wohnte ich in der Nähe der bekanntermaßen unzuverlässigen S6. Jetzt leide ich an der S1. Ich habe Fantasien davon, mir ein Auto zuzulegen. Aber eigentlich habe ich keine Lust, Auto zu fahren.

Der Eingang zur „Tretmühle“

Ich bin als Senior Software Engineer angestellt. Das „Senior“ bezieht sich glücklicherweise auf die Berufserfahrung und nicht auf das Lebensalter, obwohl ich mir manchmal schon alt vorkomme. Ich bin knapp 53 Jahre alt, die meisten KollegInnen sind U30. Die Aufgabe klingt spannend: Das Unternehmen hat ein Produkt, zu dem ein Spring-Server gehört. Dieser Server ist über mehr als eineinhalb Jahrzehnte von einer großen Zahl von EntwicklerInnen gebaut worden und dementsprechend schwer zu warten. Ich soll für dieses Problem Lösungen finden und dabei die jungen KollegInnen in der Methodik schulen. Klingt cool. Wahrscheinlich schreibe ich mal einen Tech-Beitrag zu diesem Thema.

Omegabrücke mit ICE darunter.

Zurück in Griesheim spaziere ich vom Bahnhof wieder zu meiner Wohnung. Ich möchte diesen ersten Beitrag schließen mit einem Teaser: Diese Omegabrücke wird auf jeden Fall ihren eigenen Beitrag bekommen…

Happy 2023

Das Jahr 2022 geht zu Ende, ab morgen schreiben wir 2023. Ich bin zwar immer noch arbeitslos, zum Glück aber nicht mehr wohnungslos. Ab sofort kann ich viel mehr Energie für die Arbeitssuche aufwenden. Ich muss nicht mehr kreuz und quer durch Frankfurt fahren, um mir Wohnungen anzusehen. Ein großer Freund von Silvesterpartys bin ich nicht, doch habe ich mir für heute Nacht vorgenommen, das Feuerwerk am Main zu besuchen. Es ist kein organisiertes Feuerwerk, sondern wird spontan von den Menschen veranstaltet, die ihre Raketen und Böller an den Main tragen. Auf dem Weg nach Sachsenhausen treffe ich zwei Franzosen, die am RMV-Fahrkartenautomaten verzweifeln. Ich kann ihnen in ihrer Sprache aushelfen, kurze Zeit später begleiten sie mich ins Kneipenviertel. In der Straßenbahn gesellt sich noch ein junger Kölner dazu, der von seinen Freunden getrennt wurde und nicht weiß, wo die Party stattfindet. Ihm kann geholfen werden.

Feuerwerk am Main

Zunächst trennen sich unsere Wege am Lokalbahnhof. Der Kölner hat inzwischen Kontakt zu seinen Freunden aufnehmen können, die sich natürlich ebenfalls in Alt Sachsenhausen herumtreiben. Die beiden Franzosen wollen erst einmal ihren Durst stillen. Ich suche mir gleich einen guten Platz auf einer Brücke. Schon jetzt um kurz nach 23 Uhr wird außerordentlich viel Pyrotechnik verbrannt. Es ist das erste „normale“ Silvesterfest seit der Pandemie. Die Stimmung ist hervorragend. Um kurz vor Mitternacht sehe ich die beiden Franzosen wieder. Sie haben es noch rechtzeitig zum großen Knallen an den Main geschafft.

Das Feuerwerk wird intensiver

Ein fließender Übergang zum neuen Jahr findet statt. Offenbar zeigt jede Uhr eine andere Uhrzeit, die Knallerei wird intensiver und intensiver. Das Gedränge auf der Brücke hält sich schwer in Grenzen. Es werden weniger Böller in die Menge geworfen, als ich es in Erinnerung habe. Ein schwacher Wind vertreibt die Rauchschwaden, die sonst oft nach wenigen Minuten für eine undurchsichtige Rauchwolke sorgen. Wie üblich stoße ich mit allen Umstehenden an und wünscht ein gute neues Jahr. Nebenbei entsorge ich abgelaufene Seenot-Signalmittel. Die seit mehreren Jahren abgelaufenen Bengalos, Leuchtkugeln und Fallschirm-Raketen funktionieren so, wie es der Hersteller vorhergesehen hat.

Farbenfrohe Vergänglichkeit vor der Frankfurter Skyline

In der Straßenbahn wird weiter gefeiert, ich kann fast nur fröhliche Menschen sehen. Im Gegensatz zu dem, was in den nächsten Tagen aus Berlin bekannt wird, bleibt es in Frankfurt friedlich. Nur ein junger Mann tanzt aus der Reihe, er hat sich beim Feiern wohl ein wenig übernommen.

Morgens um halb Drei in Frankfurt

Noch wohne ich im Studiomuc und nicht in meiner neuen Wohnung in Griesheim. Das ist heute Nacht sehr praktisch, denn die Straßenbahn fährt mich bis vor die Tür.


Jetzt beginnen einige sehr ruhige Wochen. Ich kaufe viele meiner Lebensmittel auf den Wochenmärkten an der Konstablerwache und in Preungesheim. Viele Marktbeschicker bleiben die ersten Wochen in jedem Jahr zu Hause. Das gipfelt am 6. Januar in einem wirklich leeren Preungesheimer Markt. Lediglich der Feinkost-Stand, der Käsewagen und der Bierbulli haben sich zum ersten Markt 2023 eingefunden. Was ich nicht auf dem Markt kaufen kann, muss ich leider nebenan im Supermarkt holen.

Preungesheimer Markt am 6.1.2023

Studiomuc

Der große Vorteil des Reisens auf dem eigenen Boot ist, dass man sich nie Gedanken darüber machen muss, wo man die kommende Nacht schlafen wird. Koje, Küche und Kühlschrank reisen mit. Wenn ich 2019 gewusst hätte, wie sich die Welt in 2023 entwickelt haben wird, hätte ich meine Wohnung in Frankfurt Bonames nicht aufgegeben. Wahrscheinlich hätte ich meinen Job nicht aufgegeben und wäre nicht losgefahren. War es ein Fehler, einen solch radikalen Schnitt zu machen?

studiomuc Apartmenthaus

Der erste Teil der Wohnungssuche ist von Holland aus einigermaßen schnell erledigt. Ich buche mir ein möbliertes Apartment in einem sogenannten Boardinghaus. Hier muss ich nur mit meinem Kontostand die Zahlungsfähigkeit beweisen. Dafür darf ich dann ab dem 15. Oktober für 1050€ im Monat 18,7 Quadratmeter bewohnen. Das sind 35€ pro Nacht, kaum günstiger als das Hotel auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dort bewohne ich zunächst für 40€ pro Nacht ein knapp 13 Quadratmeter großes Zimmer.

Rezeption. Von Montag bis Freitag zwischen 7 und 19 Uhr besetzt.

An Wochentagen sitzt hier von 7 bis 19 Uhr ein Concierge. Das ist praktisch, denn hier werden Pakete angenommen. Außerdem nimmt er Beschwerden an, etwa wenn die Küchenspüle undicht ist.

Großzügige Eingangshalle. Sie ist fast immer leer.

Die großzügige Eingangshalle spiegelt Weitläufigkeit und Luxus vor. Sie wird fast nie genutzt. Einmal wurde sie für eine Party einen Abend lang vermietet. In den Zimmern selbst findet sich diese Weite nicht. Ich bin dennoch froh, unbürokratisch und schnell eine vorläufige Bleibe gefunden zu haben.

Blick aus dem Eingangsbereich ins Zimmer. Es gibt eine Mikrowelle aber keinen Backofen.
Küchenzeile und riesige Schränke zum Verstauen meiner wenigen Sachen.

Home Sweet Home. Es scheint, als sei alles vorhanden, was man zum Leben braucht. Von hier aus werde ich die Suche nach einer permanenten Wohnung beginnen. Auch die Suche nach einer Arbeitsstelle wird dringender. Noch habe ich genug finanzielle Rücklagen, doch über kurz oder lang werden diese aufgebraucht sein. Ich muss die Lebenskosten drücken und wieder für einen regelmäßigen Geldeingang auf meinem Konto sorgen. Das ist ab sofort mein Job.

Kaffee-Ausrüstung, die zweimal über den Atlantik gefahren ist. Die Bohnen sind frisch.

In den Werbeprospekten für Studiomuc sieht man eine junge Frau, die entspannt auf dem Sofa liegt und einen Laptop auf ihren Oberschenkeln balanciert. So könnte ich eine Email beantworten, dann würde ich mich mit Rückenschmerzen auf eben dieser Couch zusammen krümmen. Also setze ich mich lieber an den kleinen Tisch, der mir aber in Verbindung mit dem Stuhl keine vernünftige Arbeitshaltung am Computer erlaubt. Auf Sissi am Salontisch mit dem Computer zu arbeiten, ist wesentlich entspannter. Lange kann ich hier nicht wohnen.

Blick aus meinem Apartment auf die Frankfurter Skyline im Hochnebel.

Die letzte Wohnung habe ich in 2012 gesucht. Damals gab es noch mehr als eine Plattform im Internet zur Wohnungssuche. Damals gab es auch noch Immobilienanzeigen in der Tageszeitung, die ich auf Papier gedruckt jeden Morgen in den Briefkasten geworfen bekam. Damals musste der Mieter dem Makler noch seine Provision bezahlen. Damals hatte ich innerhalb von vier Wochen eine neue Wohnung gefunden. Heute gibt es offenbar nur noch eine Plattform. Die Immobilienmakler sammeln jetzt intimste Daten potenzieller Mieter, um dem Vermieter passgenaue Vorschläge zu präsentieren. Fast jede Wohnungsbaugesellschaft hat zusätzlich noch eigene Plattformen, in denen man sich registrieren muss. Selbstverständlich darf man überall mehr oder minder die gleichen intimen Daten eingeben. Außerdem benötigt man eine Schufa-Auskunft (ca. 30€).

Schufa-Auskunft

Ich klicke jede Wohnung an, die auch nur ansatzweise in Frage kommt. Dann beginnt der lustige Teil. Von Nord nach Süd, von Ost nach West tingele ich mit der Straßenbahn und nehme an Wohnungsbesichtigungen teil. Fruchtlos. Ich kann kein regelmäßiges Einkommen nachweisen. Das bringt mich wieder zu meinem Zweitjob, der Arbeitssuche. Doch der Tag hat nur 24 Stunden, die nächste Wohnungsbesichtigung wartet schon. Ich habe einen Termin im äußersten Westen Frankfurts. Wenigstens ist die Wohnung keine fünf Minuten von der S-Bahnstation Sindlingen entfernt. Die „teilmöblierte“ Einzimmerwohnung mit 25 m² soll 540€ kalt kosten. Sie ist im Erdgeschoss und die Möblierung besteht aus einer Einbauküche, deren Türen schief in den Scharnieren hängen. Gemeinsam mit einem halben Dutzend Teilnehmern bekunde ich, dass mein Interesse ungebrochen ist. Später am Tag habe ich noch einen Termin im äußersten Osten. Dort sind zwei Zimmer auf 40 m² mit Balkon für 620€ im Angebot. Die S-Bahn wird hier in der Nähe erst in vielen Jahren ankommen. Man muss mit dem Bus die eineinhalb Kilometer zum Bahnhof fahren. Auch hier bekunde ich mein ungebrochenes Interesse am einem ehemaligen Wohnheimzimmer eines ehemaligen Altenpflegeheims.

Wohnungsanzeige in einem Schaukasten

Ich laufe viele Wohnviertel ab, betrete Supermärkte und schaue mir Kleinanzeigen an. Manchmal finden sich sogar Wohnungsangebote, meistens sind es jedoch Gesuche. Eine Wohnungsbaugesellschaft hat sogar einen Schaukasten. Vielleicht ist diese Wohnung ja nicht im Internet zu finden, ich bewerbe mich sofort per Email. Inzwischen bin ich völlig schmerzfrei beim Umgang mit den persönlichen und intimen Daten. Hauptsache, ich bekomme endlich eine Wohnung. Mit der Zeit trudeln die Absagen herein. Immer wieder werde ich aufgefordert, einen Gehaltsnachweis einzureichen. Eine Wohnung jedoch sticht aus allen Angeboten heraus. Sie liegt in Schwanheim und wird von Privat vermietet. Ich bin der einzige Interessent beim Besichtigungstermin. Der Makler ist der Meinung, dass er das Problem mit dem Gehaltsnachweis beim Vermieter wegdiskutieren kann. Wir machen einen zweiten Termin mit der Beauftragten der Erbengemeinschaft. Ich kann mein Glück kaum fassen. Schwanheim ist zwar reichlich abseits des Zentrums gelegen, doch wenigstens gibt es eine Straßenbahn. Drei Tage später ruft mich der Makler an. Die Erbengemeinschaft hat entschieden, die Wohnung zunächst nicht zu vermieten. Ich bin wieder am Anfang.

Hausbesetzung im Frankfurt Gallusviertel, Günderrodestraße

Ein paar Schritte von meinem Apartment im Studiomuc haben einige Dutzend junge Menschen für sich eine Antwort gefunden und ein Haus besetzt. Vom S-Bahnsteig aus kann ich beobachten, wie die Polizei das Gebäude umringt. Hier werden über kurz oder lang günstige Altbauwohnungen durch neu gebaute moderne Wohnungen ersetzt. Die jungen Menschen demonstrieren für den Erhalt günstigen Wohnraums und mein Verständnis ist grenzenlos. Der Eigentümer des Grundstücks hat sich dann entschieden, keine Räumung durchführen zu lassen. Bis das Haus abgerissen wird, können die Leute dort wohnen bleiben.

Besetztes Haus ein paar Tage später.

Ich ändere meine Suchstrategie und bewerbe mich nur noch auf Wohnungen von privaten Vermietern. Was bei einem Vermieter möglich war, muss doch auch bei anderen Vermietern möglich sein. Nicht alle Angebote von Privat sind jedoch von privaten Vermietern. Ich besichtige eine schöne Wohnung in Frankfurt Hausen, nur ein paar Schritte von der U-Bahn entfernt gelegen. Die junge Dame, die zur Besichtigung eingeladen hat, ist jedoch gar nicht die Vermieterin. Ich bekomme die Formulare einer Wohnungsbaugesellschaft in die Hand gedrückt und verlasse den Ort etwas frustriert. Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich nicht hingefahren.

Feuerwehreinsatz im Studiomuc

Jedes Apartment ist mit einem Herd ausgestattet. Außerdem ist jedes Apartment mit einem Brandmelder ausgestattet. Der Herd ist ziemlich mittig im Zimmer, genau das ist der Brandmelder auch. Beim Anbraten eines Steaks beispielsweise fängt der Brandmelder nach einiger Zeit an, rot zu blinken. Nach fünf Minuten löst er dann einen Feueralarm aus und alle Bewohner dürfen auf die Straße herunterlaufen. In den zweieinhalb Monaten, die ich dort wohne, werde ich fünfmal aus dem vierten Stock vertrieben. Einmal um 3 Uhr am Morgen, einmal um 4:30 Uhr. Wer bitteschön brät um diese Zeit ein Steak? Die Concierge meint, dass oftmals Leute in ihren Zimmern rauchen würden. Dabei steht ausdrücklich im Mietvertrag, dass das Rauchen in den Zimmern verboten ist und die Kaution (1090€) kostet. Das muss ich nicht verstehen.

Weihnachtsbaum vor dem Frankfurter Römer

Eines schönen Tages kurz vor Weihnachten besichtige ich wieder einmal eine Wohnung gemeinsam mit der 80 Jahre alten Vermieterin. Die Dame ist von meiner Geschichte fasziniert, von meinen Dokumenten überzeugt und vielleicht etwas unter Druck, ihre Wohnung alsbald zu vermieten. Sie will für die Dreizimmerwohnung mit 54 m² 600€ Kaltmiete und möchte nur einen einzelnen Mieter, allenfalls ein Paar. Sie will keine Familie mit Kindern und hat keinen Computer. Eine Freundin hat für sie die Wohnung auf dem Immobilienportal eingestellt. Kurz nach Weihnachten unterschreibe ich den Mietvertrag. Die Wohnung ist aufgrund der Dachschrägen viel größer als die 54 m² und etwa so geschnitten, wie die Wohnung in Schwanheim, die ich nicht bekommen konnte.

Mietvertrag und Wohnungsschüssel

Leider ist die Widerrufsfrist für die Verlängerung des Studiomuc einen Tag vorher abgelaufen, 1050€ sind futsch.