Heute löse ich ein Versprechen ein. Ich packe ein Paket für Norberto, einen der drei Hafenmeister in Santiago de Cuba. Er hat mich damals hervorragend unterstützt und Dinge ermöglicht, die sonst wahrscheinlich unmöglich gewesen wären. Zum Beispiel hat er die Fahrkarten für den Zug von Santiago nach Havanna besorgt.
In Kuba fehlt es an vielen Dingen des täglichen Bedarfs. Nach der Währungsreform im Januar 2021 ist der Wechselkurs des Peso gegenüber Dollar oder Euro gefallen. Schon bei meinem Besuch zum Jahreswechsel 2020/2021 konnte ich in den Supermärkten leere Regale bewundern. Das ist nicht besser geworden. Für eine Tube Zahncreme und eine Zahnbürste war es mir möglich, eine Kiste Cohiba Zigarren oder eine gute Flasche Rum einzutauschen. Ich bin mit Norberto über WhatsApp weiterhin in Kontakt und möchte ihm einen Gefallen tun.
Ich gehe an meinen Schrank und entnehme ein halbes Dutzend gebrauchter T-Shirts. Die sind schon ein paar Jahre alt, aber noch in gutem Zustand. Ein Besuch bei Primark (nie wieder!!!) bringt dann noch ein paar neue T-Shirts in die Kiste. Dazu packe ich dann noch zehn Tuben Zahncreme und ein Dutzend Zahnbürsten, alles knappe Waren in Kuba. Es ist ein Versuchsballon. Kommt das Paket wirklich an? Mein Bruder hat vor zwei Jahren ein Paket nach Kuba gesendet, das niemals angekommen ist.
Mein erster Besuch in der Postfiliale verschafft mir einen Einlieferungsschein für internationale Pakete. Zum Glück habe ich so etwas befürchtet und den Karton gar nicht erst mitgenommen. Die Adresse ist lang und passt nicht ganz in das Formular. Spanisch sprechende Länder haben ausladende Adressen. Mein zweiter Besuch in der Postfiliale lässt mich an Kuba denken.
Eine lange Schlange Wartender geht bis hinaus auf die Straße. Kurz erwäge ich, zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu kommen. Dann entscheide ich, dass ich sowieso keine dringenden Termine habe und genauso gut in der Schlange ausharren kann. Solche Schlangen gibt es in Kuba überall, wo es etwas zu kaufen gibt. Wenn der Bäcker Brot hat, bildet sich eine Schlange. Wenn es an der Tankstelle Benzin zu kaufen gibt, bildet sich eine Schlange. Wenn der Supermarkt neue Konservendosen bekommen hat, bildet sich auch eine Schlange. Was an diesem Samstag genau dafür sorgt, dass die Schlange so lang ist, erfahre ich nicht. Vielleicht ist es auch nur der normale Wahnsinn vor dem Wochenende. Nach eine Dreiviertelstunde bin ich jedenfalls vorne am Tresen, wo ich mit einer stoischen Ruhe bedient werde. Ein Paket nach Kuba ist einigermaßen viel Aufwand für den Postler.
Der Warenwert sind knapp 20€, dafür werden 50€ Porto fällig. Ein Paket nach Kuba ist nicht billig. Das Foto des Einlieferungsscheins geht per WhatsApp nach Kuba. Ich bekomme Jubel-Nachrichten zurück. Bei der Sendungsverfolgung kann ich ab sofort schauen, wo sich das Paket befindet. Denke ich. Anschließend gehe ich einkaufen. Schon wieder fühle ich mich nach Kuba versetzt. Eine lange Schlange hat sich vor den Pfandautomaten gebildet. Von den vier Pfandautomaten sind drei außer Betrieb.
Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, in der man ein paar leere Pfandflaschen einfach an der Kasse abgeben konnte. Es gab auch eine Zeit, in der irgendwo in den Märkten die Leergutannahme versteckt war. Dort hat ein Mensch Leergut auch in größeren Mengen angenommen. Diese Arbeit ist nun flächendeckend von den Kunden an den Automaten zu erledigen. Das spart dem Markt Personal, solange die Automaten funktionieren. Das fehlende Personal kann jedoch den defekten Automaten nicht wiederbeleben. Die Selbstbedienungskassen sind genau derselbe Mist. Solange es funktioniert, erledigt der Kunde die Arbeit des Kassenpersonals. Das geht so lange gut, bis man eine Flasche Bier über den Scanner zieht. Dann muss man nämlich auf das fehlende Personal warten, um die Kasse wieder freischalten zu lassen. Endlich bin ich drin. Drinnen ist das Kuba-Gefühl angesichts voller Regale wieder weg. Ich hoffe, Norberto kann aus meinem Paket einen gewissen Gewinn ziehen.