Das Jahr 2022 geht zu Ende, ab morgen schreiben wir 2023. Ich bin zwar immer noch arbeitslos, zum Glück aber nicht mehr wohnungslos. Ab sofort kann ich viel mehr Energie für die Arbeitssuche aufwenden. Ich muss nicht mehr kreuz und quer durch Frankfurt fahren, um mir Wohnungen anzusehen. Ein großer Freund von Silvesterpartys bin ich nicht, doch habe ich mir für heute Nacht vorgenommen, das Feuerwerk am Main zu besuchen. Es ist kein organisiertes Feuerwerk, sondern wird spontan von den Menschen veranstaltet, die ihre Raketen und Böller an den Main tragen. Auf dem Weg nach Sachsenhausen treffe ich zwei Franzosen, die am RMV-Fahrkartenautomaten verzweifeln. Ich kann ihnen in ihrer Sprache aushelfen, kurze Zeit später begleiten sie mich ins Kneipenviertel. In der Straßenbahn gesellt sich noch ein junger Kölner dazu, der von seinen Freunden getrennt wurde und nicht weiß, wo die Party stattfindet. Ihm kann geholfen werden.
Zunächst trennen sich unsere Wege am Lokalbahnhof. Der Kölner hat inzwischen Kontakt zu seinen Freunden aufnehmen können, die sich natürlich ebenfalls in Alt Sachsenhausen herumtreiben. Die beiden Franzosen wollen erst einmal ihren Durst stillen. Ich suche mir gleich einen guten Platz auf einer Brücke. Schon jetzt um kurz nach 23 Uhr wird außerordentlich viel Pyrotechnik verbrannt. Es ist das erste „normale“ Silvesterfest seit der Pandemie. Die Stimmung ist hervorragend. Um kurz vor Mitternacht sehe ich die beiden Franzosen wieder. Sie haben es noch rechtzeitig zum großen Knallen an den Main geschafft.
Ein fließender Übergang zum neuen Jahr findet statt. Offenbar zeigt jede Uhr eine andere Uhrzeit, die Knallerei wird intensiver und intensiver. Das Gedränge auf der Brücke hält sich schwer in Grenzen. Es werden weniger Böller in die Menge geworfen, als ich es in Erinnerung habe. Ein schwacher Wind vertreibt die Rauchschwaden, die sonst oft nach wenigen Minuten für eine undurchsichtige Rauchwolke sorgen. Wie üblich stoße ich mit allen Umstehenden an und wünscht ein gute neues Jahr. Nebenbei entsorge ich abgelaufene Seenot-Signalmittel. Die seit mehreren Jahren abgelaufenen Bengalos, Leuchtkugeln und Fallschirm-Raketen funktionieren so, wie es der Hersteller vorhergesehen hat.
In der Straßenbahn wird weiter gefeiert, ich kann fast nur fröhliche Menschen sehen. Im Gegensatz zu dem, was in den nächsten Tagen aus Berlin bekannt wird, bleibt es in Frankfurt friedlich. Nur ein junger Mann tanzt aus der Reihe, er hat sich beim Feiern wohl ein wenig übernommen.
Noch wohne ich im Studiomuc und nicht in meiner neuen Wohnung in Griesheim. Das ist heute Nacht sehr praktisch, denn die Straßenbahn fährt mich bis vor die Tür.
Jetzt beginnen einige sehr ruhige Wochen. Ich kaufe viele meiner Lebensmittel auf den Wochenmärkten an der Konstablerwache und in Preungesheim. Viele Marktbeschicker bleiben die ersten Wochen in jedem Jahr zu Hause. Das gipfelt am 6. Januar in einem wirklich leeren Preungesheimer Markt. Lediglich der Feinkost-Stand, der Käsewagen und der Bierbulli haben sich zum ersten Markt 2023 eingefunden. Was ich nicht auf dem Markt kaufen kann, muss ich leider nebenan im Supermarkt holen.